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Wie funktioniert die papierlose Fertigung?

Die papierlose Fertigung ist ein Thema, das aktuell in zahlreichen Produktionsunternehmen diskutiert wird. Obwohl sich Entscheider der Vorteile bewusst sind, sind etliche Betriebe noch weit von dem Ziel einer digitalen Produktion entfernt. Trotz der heute verfügbaren Technologien wickeln sie ihre Prozesse zumindest in Teilen nach wie vor papiergebunden ab. Dies führt zu der Frage, mit welchen Maßnahmen sich die Papierflut in der Praxis wirklich beseitigen lässt.

 

 

 


Wann ist die papierlose Fertigung wirklich digital?

Eines ist klar: Fertigungsprozesse, die auf Papierformularen und Zetteln basieren, können den Anforderungen einer zunehmend digitalisierten Industrie nicht mehr lange standhalten. Ein naheliegender Ansatz ist es dem ersten Anschein nach, Dokumente einzuscannen und in Formaten wie PDF zur Verfügung zu stellen. Um eine digitale Produktion zu realisieren, ist es jedoch bei Weitem nicht ausreichend, ehemals ausgedruckte Unterlagen in dieser Form bereitzustellen.

Der Ansatz einer digitalen Fertigung geht weit über die Einführung eines Dokumentenmanagementsystems (DMS) hinaus. Zwar können entsprechende Lösungen einen gewissen Fortschritt bedeuten, sie treffen jedoch nicht den Kern einer modernen Produktionssteuerung. Ziel muss es sein, Informationen und Daten interaktiv, anpassungsfähig, aktuell und in Echtzeit zur Verfügung zu stellen. Zudem muss es möglich sein, Rückmeldungen ebenfalls elektronisch zu übermitteln. Um dies zu realisieren, sind mehrere technische und organisatorische Vorkehrungen zu treffen, die wir im Folgenden näher betrachten möchten.
 

Wesentliche Komponenten der papierlosen Produktion

Der Status quo stellt sich in vielen Fabriken immer noch wie folgt dar: Bereits zu Beginn eines Auftrags werden unzählige Formulare wie Arbeitsganglisten, Produktionsblätter, Zeichnungen oder Auftragskopien generiert, um diese anschließend an die Fertigung zu übergeben. In der Produktion selbst kommen dann erneut Papierformulare wie Begleitzettel zum Einsatz. Auch bei der Rückmeldung wird mit Formularen gearbeitet, die am Ende des Prozesses manuell erfasst werden müssen. Es liegt auf der Hand, dass diese Vorgehensweise ineffizient, fehleranfällig und kaum zukunftsfähig ist. Eine fehlende Kopplung an die ERP-Software verursacht zudem Intransparenz. Doch wie lassen sich die papiergebundenen Prozesse sinnvoll digitalisieren?

Aus technischer Sicht ist ein zielgerichteter Einsatz mehrerer Komponenten erforderlich, um eine digitale Produktion zu realisieren. Zu nennen sind insbesondere:
 

  • führendes System als zentrale Datendrehscheibe (meist ERP-Software)
  • System (oder ERP-Modul) für die Produktionsplanung und -steuerung (PPS)
  • Integration von CAD- bzw. PDM-Daten
  • Endgeräte für die (mobile) Datenerfassung (z. B. Industrie-PCs, Terminals, Scanner, Tablets)
  • Einsatz von Barcodes und ggf. RFID- oder NFC-Technologie
  • moderne Materialentnahmeverfahren
  • stabile LAN- bzw. WLAN-Infrastruktur in der gesamten Produktion
     

ERP als Basis

ERP kann als wichtige Grundlage für die papierlose Fertigung bezeichnet werden. Bereits zu Beginn des Fertigungsprozesses kommen entsprechende Systeme ins Spiel, da hier die Betriebsaufträge angelegt und bereitgestellt werden. Eine Freigabe der Aufträge sollte nun jedoch nicht zum Ausdruck von Arbeitsscheinen, Laufkarten, Entnahmelisten oder ähnlichen Dokumenten führen, sondern diese Informationen elektronisch an die Fertigung übermitteln. Aufträge, Stücklisten, Zeichnungen und Arbeitsganginformationen sollten daraufhin in Echtzeit auf Endgeräten, etwa auf Monitoren an den Fertigungsstraßen oder Arbeitsstationen, ausgegeben werden. Alternativ besteht die Möglichkeit, die Auftragsinformationen beispielsweise auf einen Barcode oder RFID-Chip zu übertragen. Wird der Code von einem Werker per Handscanner ausgelesen, erhält dieser automatisch sämtliche Aufgaben. Über diesen Weg, aber auch über eine mobile BDE bzw. Zeiterfassung, kann auf Aufträge abgestempelt werden. Zudem wird auf diese Weise die Arbeit protokolliert und rückgemeldet. RFID bietet gegenüber Barcodes den Vorteil, dass die Informationen auf dem Chip veränderbar sind. Dies bedeutet, dass theoretisch für jedes Werkstück aktuelle Zustandsinformationen gespeichert und abgerufen werden können.

Unabhängig von der eingesetzten Technologie ist die digitale Produktion dadurch charakterisiert, dass dem führenden System jederzeit zurückgemeldet wird, in welchem Status sich der Auftrag befindet. Im Optimalfall laufen auch Maschinendaten in den zentralen Datenpool ein. Hierdurch entsteht insgesamt ein hohes Maß an Transparenz und Reaktionsfähigkeit.
 

IT-gestützte Materialentnahme

Die Materialentnahme kann ebenfalls papierlos gestaltet werden. Hierfür stehen verschiedene Möglichkeiten zur Verfügung. So kann beispielsweise ein Pick-by-Light- oder Pick-by-Vision-System anzeigen, auf welchen Lagerplatz zugegriffen werden muss. Entnahmen können auf unterschiedliche Weise, etwa via Tastendruck direkt am Lagerplatz oder mittels Barcodescanner, quittiert werden.
 

Integration von CAD- und PDM-Daten

Die Integration von Konstruktions- und Produktdaten in die Fertigungsprozesse ist ein weiterer wichtiger Schritt in puncto papierlose Fertigung. Im Optimalfall werden diese Dokumente nicht nur als flache Darstellungen, sondern interaktiv und über intuitive Oberflächen bereitgestellt. Zudem spielen Version und Aktualität der Informationen eine wichtige Rolle. Ideal ist es, wenn dem Fertigungsmitarbeiter per Scan oder Knopfdruck stets automatisch die richtigen Daten in der passenden Version angezeigt werden. Technisch ist dies beispielsweise über Schnittstellen zwischen CAD bzw. PDM und der eingesetzten ERP-Software realisierbar.
 

Zuverlässige Netzwerke erforderlich

Die digitale Fertigung hängt selbstverständlich von der Stabilität der eingesetzten LAN- und WLAN-Infrastruktur ab. Eine vollständig papierlose Fertigung kann sich Verbindungsunterbrechungen, schlechte Performance oder gar Systemausfälle nicht erlauben. Hinzu kommt das Thema der IT-Sicherheit. Es muss ausgeschlossen werden, dass die Produktionssteuerung manipuliert wird oder Informationen in falsche Hände geraten. Entsprechend muss trotz aller Vorteile festgehalten werden, dass die digitale Fabrik teils hohe Investitionen in IT-Infrastruktur und IT-Security erfordert.

 

Vorteile im Überblick

Die papierlose Fertigung ist dank innovativer Technologien nicht nur möglich, sondern in den meisten Fällen auch wirtschaftlich. Die Einsparungen werden hierbei längst nicht nur durch die Reduzierung von Papier- und Druckkosten erzielt. Eine Verfügbarkeit digitaler Informationen sorgt dafür, dass sich Wege verkürzen und Rückfragen erübrigen, wodurch die Mitarbeiterproduktivität steigt. Gleichzeitig wird hierdurch auch die Produktion beschleunigt. Darüber hinaus reduziert sich die Fehlerquote deutlich. Nacharbeiten und Ausschuss fallen entsprechend geringer aus.

Nicht zuletzt sind papierlose Prozesse eine wesentliche Komponente von Industrie 4.0. Eine Smart Factory kann nur dann funktionsfähig sein, wenn sämtliche Daten elektronisch und in Echtzeit zur Verfügung stehen. Es führt über kurz oder lang ohnehin kein Weg daran vorbei, Papier aus der Produktion zu verbannen. Laut einer Studie von PwC investieren hierzulande bereits neun von zehn Unternehmen in den Ausbau digitaler Fabriken. Sie erhoffen sich hierdurch Effizienzsteigerung, mehr Kundennähe und eine höhere Flexibilität bei der kurzfristigen Veränderung von Anforderungen.

Als empfehlenswert kristallisiert sich eine schrittweise Vorgehensweise heraus, in deren Rahmen Teilprozesse Zug um Zug digitalisiert werden. Unternehmen, die einer vollständig digitalen Vorgehensweise misstrauen, können Papierdokumente in einem Übergangszeitraum parallel bestehen lassen. Stellt sich dann im Projektverlauf heraus, dass der neue digitale Prozess stabil läuft, kann endgültig auf ausgedruckte Informationen und Rückmeldungen in Papierform verzichtet werden.

 

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