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Wirtschaft 4.0: Warum „Made in Germany“ allein nicht mehr reicht

Wirtschaft 4.0: Warum „Made in Germany“ allein nicht mehr reicht

Der deutsche Mittelstand steht vor der größten Herausforderung seiner Geschichte – der digitalen Transformation. Dabei sind die Voraussetzungen gut, den Change hin zu Wirtschaft 4.0 zu meistern: Seit Jahrzehnten sind rund 1.500 Hidden Champions Marktführer weit über die deutschen Grenzen hinaus. In kaum einem anderen Land der Welt ist der Innovationsvorsprung so groß und sind High-Tech-Komponenten wie Sensoren, Schnittstellen und Software so ausgereift.

Doch der wachsende Wettbewerb lässt es nicht zu, sich auf diesem Status Quo auszuruhen. Internationale Konkurrenten und dynamische Start-ups drängen neben etablierten Playern in die Märkte und neue Geschäftsmodelle bedrohen bestehende Wertschöpfungsketten.

Wer die vierte industrielle Revolution überleben will, muss deshalb Wege finden, flexibler zu produzieren, Kosten zu senken und die Ressource „Big Data“ gewinnbringend zu nutzen.

 

Digitalisierung der Wirtschaft: Status Quo in Deutschland

Dieser Handlungsdruck kommt im deutschen Mittelstand an: Laut einer Studie des Beratungsunternehmens EY (Ernst & Young) rechnen 85 Prozent der Unternehmen damit, dass die Bedeutung digitaler Technologien mittelfristig zunehmen wird.

Auch die Prognosen der Experten hinsichtlich des Effizienzpotenzials von Wirtschaft 4.0 sind rosig: PwC Strategy& erwartet über die nächsten fünf Jahre eine durchschnittliche Effizienzsteigerung von 18 Prozent und eine Kostenreduktion um rund 13,8 Prozent. Nach Einschätzung des Fraunhofer Instituts für Arbeitswissenschaft und Organisation (IAO) können Unternehmen ihre Produktivität bis 2020 sogar um bis zu 30 Prozent steigern.

Doch auch wenn am Ende der digitalisierten Wertschöpfungskette wirtschaftliche Chancen locken, stehen am Anfang hohe Investitionen: für Hardware und Software, für Fachkräfte, Beratungen und Schulungen. Auch die EY-Studie analysierte als die TOP 3 Hürden von Wirtschaft 4.0 die Faktoren „begrenzte finanzielle Möglichkeiten“, „fehlendes Personal“ und „fehlendes Know-how“. Viele mittelständische Unternehmen setzten deshalb in den letzten Jahren auf eine Strategie des Abwartens und Beobachtens, doch inzwischen nimmt die digitale Transformation auch am Standort Deutschland an Fahrt auf. Als First Mover positioniert sich ganz deutlich die Automobilindustrie.

  • 83 Prozent der deutschen Unternehmen wollen bis 2020 einen hohen Digitalisierungsgrad ihrer Wertschöpfungsketten erreicht haben.
  • 20 Prozent der Unternehmen in der Automotive-Branche nutzen bereits heute selbststeuernde Produktionsanlagen.
  • Bis 2020 investieren deutsche Unternehmen 40 Milliarden Euro jährlich in Industrie 4.0 Anwendungen.
  • Dank Wirtschaft 4.0 wird die deutsche Volkswirtschaft bis 2020 ein zusätzliches Wachstum um 153 Milliarden Euro verzeichnen.
    (Quelle: Bundesministerium für Wirtschaft und Energie BMWi)

Was ist Industrie 4.0 – eine Definition

Bauteile kommunizieren mit Maschinen, Produktionsanlagen veranlassen eigenständig Reparaturen und melden, wann Material nachbestellt werden muss: Nach Dampfmaschine, Fließband und Elektronik & IT wird die Fertigung nun erneut durch die intelligente Vernetzung von Mensch und Maschine, Produkten und Prozessen revolutioniert. Das Ziel sind intelligente Fabriken, die Produkte schneller und günstiger als je zuvor exakt nach Kundenwünschen herstellen, unabhängig von der Stückzahl. Technische Grundlage sind smarte, digital vernetzte Systeme.

Doch die Definition von Wirtschaft 4.0 geht noch einen Schritt weiter: Die digitale Transformation umfasst die gesamte Wertschöpfungskette und den gesamten Lebenszyklus des Produkts, von der Idee über die Entwicklung, den Vertrieb, die Fertigung und Logistik bis hin zu Service sowie Recycling. Und die Smart Factory lernt kontinuierlich hinzu, indem sie die gigantischen Datenmengen nutzt, um sich selbst zu optimieren – wichtige Trends sind hier AI (Künstliche Intelligenz) und Machine Learning.

Eine weitere gravierende Auswirkung von Wirtschaft 4.0 ist die Entwicklung der Geschäftsmodelle weg vom Produktverkauf hin zum Serviceangebot. Aus Käufern werden Nutzer. Die Automobilindustrie testet hier bereits Modelle wie Carsharing-Plattformen: Kunden kaufen kein Auto mehr, sondern mieten Mobilität. Nur Fertigungsbetriebe, die sich selbst als Service-Anbieter etablieren, können in vollem Umfang vom Potenzial von Wirtschaft 4.0 profitieren – reine Produktverkäufer werden zu Zulieferern der neuen digitalen Wirtschaft degradiert und stehen in vollem Wettbewerb zum globalen Weltmarkt.

Damit ist Industrie 4.0 viel mehr als nur ein technologisches Thema: Sie wird zum Entwicklungs- und Produktionsmotor für Deutschland.

Der Weg zu Wirtschaft 4.0: Sieben zentrale Handlungsfelder

Auch wenn in den Medien häufig von „digitaler Revolution“ die Rede ist: Die Digitalisierung ist mehr Evolution als Revolution und es ist – bei aller Brisanz des Themas – durchaus möglich, diesen Prozess schrittweise durchzuführen. Vieles kann, nicht alles muss umgesetzt werden. Was Unternehmen allerdings dringend benötigen, ist eine digitale Roadmap und ein tiefes Verständnis für digitale Wertschöpfungsketten.

Die zentralen Handlungsfelder von Wirtschaft 4.0

  • Smart Data
    Immer mehr Maschinen und Sensoren generieren Daten und Menschen hinterlassen digitale Spuren. Die Folge sind exponentiell steigende Datenmengen, die gespeichert, aggregiert, analysiert und in wirtschaftlich wertvolle Informationen umgewandelt werden. Big Data sind der „Rohstoff“ des digitalen Wandels – und der professionelle Umgang damit eine Grundvoraussetzung für das Gelingen der digitalen Transformation.
  • Smart Devices 
    Bei der Entwicklung intelligenter Komponenten für Industrie 4.0 ist Deutschland Vorreiter. Doch andere Länder holen auf – wenn sich die deutsche Wirtschaft ihre Spitzenposition nicht streitig machen lassen will, muss auch in den nächsten Jahren intensiv in Forschung und Entwicklung investiert und so der Standort Deutschland als Innovationstreiber von Wirtschaft 4.0 gefestigt werden.
  • Smart Production
    Die Produktionsanlagen in Fertigungsbetrieben müssen sich für den immer schnelleren Wandel der Verbraucherwünsche rüsten. Einzelfertigung und Variantenvielfalt bestimmen die Produktion 2020. Auch mittelständische Betriebe kommen deshalb nicht umhin, sich mit modernen Produktionstechnologien wie 3D-Druck, Robotik sowie Augmented Reality zu beschäftigen und deren Potenzial für die eigene Wertschöpfung zu prüfen.
  • Smart Factory
    Noch einen Schritt weiter geht die Smart Factory, die alle Wertschöpfungsketten miteinander verknüpft – nicht nur in der Produktion, sondern über alle Unternehmensbereiche hinweg. Auch externe Partner, Kunden und Lieferanten werden in die intelligente Prozesssteuerung der intelligenten Fabrik eingebunden.
  • Smart Services
    In der Wirtschaft 4.0 geht es um mehr als innovative Ingenieursleistungen „made in Germany“. Geschäftsmodelle verändern sich disruptiv und den ökonomischen Mehrwert werden zunehmend die mit Produkten verknüpften Dienstleistungen generieren. Unternehmen sind deshalb gefordert, konsequent kundenorientierte, innovative Services zu entwickeln und zur Marktreife zu führen. Interessante Optionen bieten hier Kooperationen.
  • Smart Work
    Häufig unterschätzt: Wirtschaft 4.0 wird nicht nur die Produktion, sondern auch die Arbeitswelt und die Arbeitsprozesse tiefgreifend verändern. Einfache Routinetätigkeiten werden automatisiert, gleichzeitig wird sich der Fachkräftemangel weiter verschärfen. Neue Berufsbilder entstehen, mit mehr Spezialwissen und mehr Verantwortung, denn in der smarten Fabrik sind Menschen die korrigierenden Faktoren. Kontinuierliche Weiterbildung wird in Zukunft ein wichtiges Thema sein, ebenso wie neue, flexiblere Arbeitsmodelle, die sich von Zeit und Ort freimachen.
  • Smart Politics
    Um die digitale Transformation zeitnah umzusetzen, ist auch die deutsche Politik gefordert. Der deutsche Staat muss Rahmenbedingungen schaffen, die Innovationen fördern und möglich machen. Datenschutz, die Deregulierung des Arbeitsrechts und der Ausbau der IT-Infrastruktur sind nur drei wichtige Beispiele. Auch die Definition einheitlicher Standards und Normen ist eine Grundvoraussetzung für Wirtschaft 4.0 – hier können deutsche Unternehmen über ihr Engagement in Verbänden und politischen Initiativen maßgeblich mitwirken.


Wirtschaft 4.0: Linktipps

Sie möchten sich über das Potenzial von Industrie 4.0 informieren? Viele renommierte Institutionen stellen wertvolle Informationen im Internet zur Verfügung oder bieten Informationsveranstaltungen an. Wir haben eine kleine Auswahl zusammengestellt:

  • Readiness Check Digitalisierung: Das Kompetenzzentrum Mittelstand 4.0 in Kaiserslautern hat einen Test speziell für mittelständische Unternehmen entwickelt, um durch eine Selbsteinschätzung zu überprüfen, in welchem digitalen Reifegrad sich Ihr Unternehmen befindet. 
  • Die Plattform Industrie 4.0 bietet eine Veranstaltungsübersicht zum Thema Industrie 4.0.
  • Ebenfalls auf der Website der Plattform Industrie 4.0 wird eine Landkarte regionaler Informations- und Unterstützungsangebote zur Verfügung gestellt.