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Welche Fertigungsarten werden durch eine ERP-Lösung unterstützt?

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War der Einsatz von ERP anfangs oft auf die Bereiche Materialwirtschaft und Finanzwesen begrenzt, so unterstützen zahlreiche Systeme heute auch die Fertigungsindustrie und tragen dort entscheidend zur Prozessoptimierung bei. Selbstverständlich muss die eingesetzte ERP-Lösung aktuelle und zukünftige Fertigungsarten bestmöglich unterstützen, um Mehrwert zu generieren. Dieser Artikel zeigt auf, welche Fertigungsverfahren existieren und wie sich die ideale Softwareunterstützung für die jeweilige Vorgehensweise darstellt.

 

Fertigungsverfahren: Eine Übersicht

Bevor wir uns mit der ERP-Unterstützung für verschiedene Fertigungsarten befassen, möchten wir uns kurz die theoretischen Grundlagen ansehen. Grundsätzlich wird in der Industrie zwischen ablauf- und mengenbezogenen Fertigungsverfahren unterschieden. Während bei mengenbezogenen Fertigungsverfahren die Produktionsmenge im Vordergrund steht, werden beim ablaufbezogenen Verfahren die Fertigungsprozesse betrachtet.

Gängige ablaufbezogene Fertigungsverfahren sind:

  • Werkstattfertigung
  • Fließfertigung
  • Gruppenfertigung
  • Baustellenfertigung

Die wichtigsten Formen der mengenbezogenen Fertigungsverfahren sind:

  • Einzelfertigung
  • Serienfertigung
  • Sortenfertigung
  • Massenfertigung

In diesem Artikel werden wir uns überwiegend mit den mengenbezogenen Verfahren beschäftigen, weshalb wir diese im Folgenden näher betrachten.
 

Die Einzelfertigung

Bei der Einzelfertigung ist jedes hergestellte Erzeugnis auf individuelle Kundenwünsche zugeschnitten. Das Verfahren ist die klassische Form der Auftragsfertigung, welche in Branchen wie dem Großmaschinen- und Anlagenbau vorherrscht. Meist werden verschiedene Produkte parallel hergestellt. Häufig ist das Produktionsprinzip MTO (Make to Order) vorzufinden, bei dem die Produktion erst startet, wenn eine verbindliche Bestellung eingegangen ist. Noch geringer ist der Standardisierungsgrad bei ETO (Engineer to Order). Hier löst der Kundenauftrag zunächst den Entwicklungs- und Konstruktionsprozess aus, bevor die eigentliche Fertigung beginnt.
 

Die Serienfertigung

Gibt ein Kunde mehrere gleichartige Produkte in Auftrag, so ist von Serienfertigung die Rede. Abhängig von der Produktionsmenge kann zudem eine Feingliederung in Klein-, Mittel- oder Großserienfertigung vorgenommen werden. Das Verfahren ist beispielsweise in der Automobil- und Möbelindustrie anzutreffen. Moderne Produktionsanlagen ermöglichen es, durch Umrüstungen unterschiedliche Produktvarianten herzustellen.

In diesem Kontext ist das Fertigungsprinzip Assemble to Order (ATO) zu erwähnen, welches auch Configure to Order (CTO) genannt wird. Es besagt, dass eine bestimmte Produktvariante erst dann fertiggestellt wird, wenn spezifische Kundenwünsche eintreffen. Während die Bereiche Entwicklung, Konstruktion, Beschaffung und Produktion auf Basis von Prognosen agieren, arbeiten Endmontage und Distribution bei ATO auftragsgetrieben.
 

Die Sortenfertigung

Die Sortenfertigung gilt als Sonderform der Serienfertigung. Die Besonderheit liegt jedoch darin, dass aus einem gemeinsamen Ausgangsmaterial verschiedene Endprodukte gefertigt werden. Ein Beispiel hierfür sind Schrauben: Hier unterscheiden sich die Produkte lediglich hinsichtlich ihrer Abmessung, Gestalt und Funktion, nicht jedoch in Bezug auf die verwendeten Rohstoffe und den Herstellungsprozess.
 

Die Massenfertigung

Im Gegensatz zur Einzel- und Serienfertigung wird die Produktionsmenge bei der Massenfertigung im Vorfeld nicht konkretisiert. Das Verfahren sieht keine zeitliche Begrenzung der Fertigung vor. Es werden also größere Mengen gleichartiger Güter für einen anonymen Markt hergestellt, welche für das Lager oder die Vorfertigung bestimmt sind. Diese Variante bietet die meisten Möglichkeiten der Prozessoptimierung. Zudem lassen sich besonders niedrige Stückkosten realisieren. Zum Einsatz kommt dieses Fertigungsverfahren beispielsweise in der Lebensmittelindustrie.

 

Die ERP-Lösung im Kontext der Fertigungsarten

In Fertigungsunternehmen spielen heute Faktoren wie Effizienz, Kostenoptimierung, Flexibilität und Informationstransparenz eine größere Rolle als jemals zuvor. ERP gilt als Schlüssel zur Erreichung dieser Ziele. Die ERP-Lösung muss die eingesetzten Fertigungsarten jedoch optimal unterstützen, damit eine Prozessoptimierung tatsächlich stattfindet und sich der gewünschte Erfolg einstellt. Sehen wir uns daher nun an, was ERP im Einzelfall leisten muss.
 

ERP in der Einzelfertigung

Einzelfertiger kämpfen seit jeher mit hohen Produktionskosten und erschwerten Marktbedingungen. Sowohl in der Projektierung als auch in der Entwicklung und der Produktionsplanung entstehen enorme Aufwände. Ohne eine ERP-Lösung, welche branchenspezifische Fertigungsprozesse unterstützt, ist es kaum noch möglich, Ressourcen effizient einzusetzen, Kosten zu überblicken und Zeitpläne einzuhalten. Im Übrigen beschränkt sich „Losgröße 1“ längst nicht mehr auf traditionelle Einzelfertiger. Zunehmend sehen sich auch Unternehmen der Serienproduktion mit der Forderung nach kundenindividuellen Produkten konfrontiert.

Im komplexen Umfeld der Einzelfertigung ist eine hoch flexible ERP-Lösung zwingend erforderlich. Diese sollte unter anderem dazu in der Lage sein, CAD-Systeme zu integrieren, um die auftragsbegleitende Konstruktion zu unterstützen. Zudem müssen dynamische Veränderungen von Stücklisten reibungslos verarbeitet werden können, um Beschaffung und Lagerbestände zu optimieren. Was die Kalkulation betrifft, so sollte das ERP-System möglichst viele Anhaltspunkte zur Preisfindung liefern. Zu nennen wären hier beispielsweise Informationen zu vergleichbaren Projekten, Ressourcen und Zulieferern. Zudem ist ein fortlaufender Abgleich der Plan- und Ist-Kosten hilfreich.

Nicht zuletzt sollte eine „Industrie-4.0-fähige“ Lösung gewählt werden, die in der Lage ist, ERP, Produktionsplanung- und Steuerung, Maschinen- und Sensordaten sowie externe Prozessbeteiligte zu vernetzen. Nur auf diese Weise ist es langfristig möglich, trotz minimaler Losgrößen eine effiziente Auslastung, niedrige Stückkosten und geringe Durchlaufzeiten zu realisieren.
 

ERP in der Serienfertigung

Bei höheren Stückzahlen in der Produktion kommt es in erster Linie auf perfekt abgestimmte, standardisierte Prozesse an. Eine ERP-Lösung sollte daher in der Lage sein, sämtliche Abläufe - vom Auftrag über die Lieferkette, die Produktion und Logistik bis hin zur Abrechnung und dem After Sales Service - integriert abzubilden. Auch eine Vernetzung über die Unternehmensgrenzen hinaus sollte möglich sein, was beispielsweise über EDI-Anbindungen von Zulieferern und Kunden realisierbar ist. Empfehlenswert sind zudem Funktionalitäten wie eine Chargen- und Seriennummernverwaltung, grafisch unterstützte Planungsfunktionen für Produktionsressourcen, Feinplanung und auch ein sauberes Werkzeugmanagement. Darüber hinaus profitieren Serienfertiger von einer vollständig integrierten Betriebsdatenerfassung (BDE).

 

Branchenlösungen oft vorteilhaft

Unabhängig von den genannten Fertigungsarten besitzt jede Branche individuelle Ausprägungen ihrer Fertigungsprozesse. So benötigt die Medizintechnik beispielsweise spezielle Compliance-Unterstützung oder bestimmte Formen des Qualitätsmanagements, während im Maschinen- und Anlagenbau eine CAD- und PDM-Anbindung erforderlich ist. Die Prozessindustrie braucht hingegen Funktionalitäten wie eine Gefahrgutabfertigung. Eine branchenspezifische ERP-Lösung trägt diesen Umständen in der Regel Rechnung, wodurch sich der Aufwand von Anpassungen bei der Einführung deutlich verringert.

 

Ausblick: Vernetzte Lieferketten und Produktionsprozesse werden zum Standard

Aktuelle Trends zeigen klar, wo sich die Fertigungsindustrie in einigen Jahren befinden wird. Egal ob Auftragsfertigung oder Massenproduktion: Die gesamte Lieferkette wird immer stärker international vernetzt. Entwicklungen wie Losgröße 1 und kürzere Vorlaufzeiten erfordern zudem eine optimale Planung und einen verbesserten Einsatz von Ressourcen. ERP muss in diesem herausfordernden Umfeld nicht nur Prozesse abbilden und überwachen, sondern dynamisch auf Veränderungen reagieren können. Hierfür sind ein hoher Funktionsumfang, flexible Anpassbarkeit und offene Schnittstellen-Standards zur Integration externer Daten erforderlich. Unternehmen, die bereits jetzt auf entsprechende ERP-Lösungen setzen, legen damit den Grundstein für die „Smart Factory“ und sichern sich Wettbewerbsvorteile.

 

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