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Lastenheft für ERP-Systeme: Die optimale Ausgestaltung

Die Erstellung eines Lastenhefts ist einer der bedeutsamsten Schritte auf dem Weg zur Einführung eines ERP-Systems. Sie schafft die Basis für die erfolgreiche Anbieterauswahl und die Implementierung einer geeigneten Lösung. Verantwortliche stellen sich deshalb regelmäßig die Frage, wie der optimale Lastenheft-Aufbau in der Praxis aussieht.

Es gilt einerseits, den Aufwand gering zu halten, andererseits einen Detaillierungsgrad zu wählen, der alle wichtigen Faktoren berücksichtigt. Dieser Ratgeber-Artikel zeigt auf, wie der ideale Lastenheft-Inhalt aussieht.

 

 


ERP-Lastenheft erstellen: Grundsätzliche Überlegungen

Die Erstellung eines Lastenhefts erfordert eine strukturierte Herangehensweise. Schreiben Sie deshalb nicht einfach „blind“ darauf los. Schaffen Sie zunächst Klarheit zu einigen grundlegenden Fragestellungen:

  • Wofür benötigt das Unternehmen ein ERP-System?
  • Welche Unternehmensziele sollen mit der Systemeinführung erreicht werden?
  • Welche Prozesse möchten Sie optimieren?

Eine eingehende Auseinandersetzung mit diesen Faktoren ist die Basis einer erfolgreichen Systemeinführung. Ihre späteren Anforderungen sollten sich konsequent an den erarbeiteten Zielen orientieren, wobei die Unternehmensstrategie ebenfalls niemals außer Acht gelassen werden darf. Gerade im Kontext von Digitalisierung und Industrie 4.0 müssen Überlegungen dazu einfließen, wie die zukünftige Ausrichtung des Unternehmens aussehen soll. Im Lastenheft bringen Sie letztlich zum Ausdruck, wie das neue ERP-System konkret dazu beiträgt, Ihre Ziele, Strategie und Prozesse optimal zu unterstützen.

 

ERP Planner: Lastenheft Generator

 

 

ERP-Lastenheft wird mehrfach eingesetzt

Bedenken Sie, dass sich ein Lastenheft nicht ausschließlich an ERP-Anbieter richtet. Neben der Evaluierung eines geeigneten Systems wird es an weiteren Stellen benötigt. Es wird später in ein Pflichtenheft umgewandelt und damit Teil des Vertrags mit dem ausgewählten ERP-Anbieter. Darüber hinaus muss es eine fundierte Grundlage für Tests und Abnahmen darstellen. Der Lastenheft-Inhalt muss demnach so formuliert werden, dass er sowohl für ERP-Anbieter als auch für die eigenen Anwender verständlich ist.

Prozesse müssen im Vordergrund stehen

Bei der Lastenheft- und Pflichtenheft-Erstellung sollten Sie sich keinesfalls darauf beschränken, benötigte Funktionen zu beschreiben. Die Basis des Erfolgs bildet vielmehr eine genaue Beschreibung der benötigten Geschäftsprozesse. Liegen keine vollständigen oder aktuellen Prozessbeschreibungen vor, so müssen diese erstellt werden. In diesem Rahmen ist es sinnvoll, bekannte Schwachstellen planerisch bereits zu beheben, indem eine Definition optimaler Sollprozesse erstellt wird. Stehen die optimalen Abläufe fest, lassen sich hieraus im zweiten Schritt die benötigten Features ableiten. Selbstverständlich gilt stets die Faustregel: Ein ERP-System muss sich an die Prozesse anpassen können – und nicht umgekehrt.

Fachabteilungen einbeziehen

Nach der Betrachtung der strategischen Perspektive ist es empfehlenswert, sämtliche Fachbereiche im Unternehmen einzubeziehen. Immerhin befinden sich hier die Anwender, die mit der zukünftigen ERP-Lösung arbeiten werden. Sinnvoll sind Workshops, in denen die konkreten Anforderungen der Fachabteilungen erarbeitet werden. Hierbei sollte eine Unterscheidung zwischen Muss- und Kann-Anforderungen getroffen werden, sodass keine übermäßig lange „Wunschliste“ entsteht. Beziehen Sie auch Kritiker mit ein, dies erhöht die Akzeptanz der späteren Lösung zusätzlich.

Haben Sie den Input aller Bereiche gesammelt, so muss abschließend eine Gesamtbetrachtung erfolgen. Das Ziel ist nicht, einzelne Abteilungen zu optimieren, sondern die gesamte Organisation zu harmonisieren.

Lastenheft-Aufbau: Der richtige Detailgrad

Nach der Definition strategischer und fachbereichsspezifischer Ziele sind Sie in der Lage, konkrete Anforderungen abzuleiten. Sie können an diesem Punkt also damit beginnen, ein Lastenheft zu erstellen. Dass dies keineswegs trivial ist, wissen viele Projektverantwortliche aus eigener Erfahrung. Die wesentliche Herausforderung besteht darin, eine geeignete Informationstiefe zu wählen.


Eine zu oberflächliche Beschreibung führt dazu, dass zahlreiche Rückfragen und Missverständnisse entstehen. Das andere Extrem – ein Lastenheft mit maximalem Detailgrad, welches jede Eventualität abdeckt - kann von ERP-Anbietern kaum noch bewältigt werden und führt zu einem Arbeitsaufwand, der nicht im Verhältnis zum Nutzen steht. Um eine Balance zwischen diesen beiden Ausprägungen zu erreichen, sind folgende Faustregeln hilfreich:

  • Beschreiben Sie Prozesse und Anforderungen so, dass Außenstehende sie verstehen.
  • Verlieren Sie sich nicht in unnötigen Details.
  • Verzichten Sie auf unrealistische „Nice-to-have-Features“.
  • Standard-Features, die in jedem Unternehmen benötigt werden (beispielsweise eine bestellbezogene Rechnungsprüfung), reißen Sie nur kurz an.

Lösungsweg im Lastenheft nicht vorgeben

Eine weitere wichtige Regel für das ERP-Lastenheft lautet: Beschreiben Sie Ihre Anforderungen, jedoch nicht deren Umsetzung. Anders formuliert: Die Lastenheft-/Pflichtenheft-Erstellung sollte stets lösungsneutral erfolgen.

Deutlich wird dies am besten anhand eines Beispiels. Nehmen wir an, Sie benötigen eine Funktion zum Starten Ihrer Produktion. Schreiben Sie nun – überspitzt dargestellt – in das Lastenheft „Oben links soll sich ein roter Button befinden, mit dem sich ein Fertigungsauftrag erteilen lässt“, so schließen Sie streng genommen sämtliche ERP-Anbieter aus, die den gewünschten Button nicht realisieren können. Möglicherweise sortieren Sie sogar Lösungen aus, die den Produktionsauftrag automatisch starten – etwa beim Unterschreiten eines definierten Mindestbestands. Eine lösungsneutrale Formulierung der Anforderung wäre beispielsweise: „Es wird eine Funktion zum Starten der Produktion benötigt“.

Lastenheft-Aufbau: Die optimale Gliederung

Selbstverständlich können Sie Ihre Anforderungen nicht einfach ohne Struktur aneinanderreihen, wenn Sie ein Lastenheft erstellen. Es empfiehlt sich, eine saubere Gliederung vorzunehmen, die wie folgt aussehen kann:

  • Kapitel 1: Beschreibung des Unternehmens
  • Kapitel 2: Produkte, Dienstleistungen und Marktumfeld
  • Kapitel 3: Stärken und Alleinstellungsmerkmale
  • Kapitel 4: Aktuelle IT-Landschaft (inklusive User-Anzahl)
  • Kapitel 5: Prozessorientierte Beschreibung funktionaler Anforderungen (inklusive Reporting-Funktionen und Schnittstellen)
  • Kapitel 6: Terminplanung
  • Kapitel 7: Ansprechpartner

Somit stellen Sie sicher, dass das Lastenheft Software-Anbietern ermöglicht, Ihre Anforderungen richtig zu interpretieren.

Lastenheft und Pflichtenheft unterscheiden

Lastenheft und Pflichtenheft werden häufig als Synonyme betrachtet. Dies ist jedoch nicht der Fall. Es ist demnach wichtig, die beiden Begriffe klar voneinander abzugrenzen:

  • Das Lastenheft beschreibt, was gefordert wird. Es wird durch den ERP-Kunden erstellt.
  • Das Pflichtenheft beschreibt, wie die Anforderungen umgesetzt werden. Die Erstellung erfolgt durch den ERP-Anbieter.

Im Detail bedeutet dies: Ein Lastenheft zeigt auf, welche Funktionen und Eigenschaften das Wunschsystem mitbringen soll. Es wird an alle infrage kommenden ERP-Anbieter verschickt und unterstützt damit den Auswahlprozess. Ist dieser abgeschlossen, beginnt die Implementierung.

Bei dieser wird zunächst ein Workshop mit dem ausgewählten ERP-Anbieter durchgeführt, in dessen Rahmen die Prozesse und Anforderungen aus dem Lastenheft im Detail durchleuchtet werden. Im Ergebnis entsteht das Pflichtenheft, in welchem der Software-Anbieter genau darlegt, wie die technische Umsetzung der Forderungen aus dem Lastenheft aussehen wird.

Das Pflichtenheft ist damit gleichzusetzen mit einer konkreten Planung für die Implementierung des neuen Systems. Es enthält exakte Spezifikationen hinsichtlich der Software-Konfiguration für den konkreten Anwendungsfall in Ihrem Unternehmen.

Fazit: Lastenheft notwendig bei der ERP-Auswahl

Das ERP-Lastenheft unterstützt die Auswahl eines geeigneten Anbieters und bildet die Grundlage für einen erfolgreichen ERP-Einführungsprozess. Wichtig ist grundsätzlich, übergeordnete Unternehmensziele und Strategien zu berücksichtigen. Von hoher Bedeutung ist zudem eine enge Zusammenarbeit mit den Fachabteilungen. Gelingt es, das Lastenheft prozessorientiert, strukturiert, lösungsneutral und mit einem geeigneten Detailgrad zu erstellen, stellt dies den Optimalfall dar.

 

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