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ERP-Auswahl – Die Usability im Vordergrund

Beim Festlegen von ERP-Auswahlkriterien wird die Usability oft übersehen. Zu Unrecht: Tatsächlich entscheidet der Bedienkomfort der Anwendung über den Erfolg (oder Misserfolg) Ihres ERP-Projekts. Warum das so ist und weshalb die Usability ganz oben auf Ihre ERP-Auswahl-Checkliste gehört, lesen Sie in diesem Artikel.

 

 

 

 


Was ist Usability?

Bei der Usability handelt es sich um den Bedienkomfort einer Software oder App. Sie bemisst sich daran, dass die Anwender – salopp gesagt – mit einer Software gut zurechtkommen. Dafür existiert sogar eine ISO-Norm: Der internationale Standard EN ISO 9241-11 definiert Richtlinien für die Ergonomie der Mensch-Computer-Interaktion.

Im Zentrum dieser Norm stehen drei Aspekte:

Selbstbeschreibungsfähigkeit

Die Programmfunktionen sollten selbsterklärend sein. Auch wenn ein Anwender eine Funktion noch nicht kennt, sollte ihm deren Bedeutung sofort klar sein. Die Anwender sollten über eine Eingabemaske nicht erst lange rätseln, sondern sie einfach ausfüllen – und das schon beim ersten Mal.

Steuerbarkeit

Die Orientierung und Navigation im ERP-System sollte den Anwendern keine Rätsel aufgeben. Der Anwender sollte im Dialog oder Arbeitsablauf einfach von einem Schritt zum nächsten kommen. Er sollte in der Anwendung vor- und zurückschalten können und jederzeit wissen, wo er sich befindet.

Erwartungskonformität

Durch jahrelange Erfahrung und Gewohnheit erwarten Anwender eine bestimmte Gliederung im Bildschirmaufbau und eine gewisse Logik in der Präsentation der Funktionen. Daran sollte sich auch ein ERP-System halten.

Produktivitätsfaktor ERP-Usability

Die Usability ist ein enorm wichtiges Kriterium für die ERP-Software-Auswahl. Denn letzten Endes verbringen viele Mitarbeiter einen großen Teil ihrer Arbeitszeit mit ERP-Software. Die Produktivität und Zufriedenheit dieser Mitarbeiter hängt davon ab, ob und wie gut sie mit dieser Software umgehen können. Je besser die Arbeit von der Hand geht, umso schneller, konsistenter und qualitativer wird sie erledigt.

Zwei Fachbegriffe tauchen in der Diskussion häufig auf: Das UI (User Interface) ist die Benutzeroberfläche eines Programms. UX (User Experience) ist wörtlich genommen das Benutzererlebnis, also der Bedienkomfort, den eine Software bietet.

Hoher Bedienkomfort - glückliche Nutzer

Lange Klickstrecken, zerklüftete Bildschirmdarstellungen, endloses Scrollen und kryptische Fehlermeldungen sind in vielen ERP-Anwendungen leider immer noch Alltag. Das zermürbt die Anwender und gibt ihnen das Gefühl von Machtlosigkeit und Ausgeliefertsein. All dies ist Gift für die Motivation.

Eine gute ERP-Usability gestaltet Anwendungsfälle effizient. Sie bringt die Nutzer schnell und sicher ans Ziel. Dadurch hilft sie ihnen, autonom sowie selbstverantwortlich zu arbeiten und ihr Bestes zu geben, weilsie sich stark und kompetent fühlen. Diese Bestärkung wird auf Neudeutsch "Empowerment" genannt.

Trotzdem achten viele Firmen bei der ERP-Auswahl nur auf die Funktionalität und den Preis der Software. Die Folgekosten eines schlechten Bedienkomforts werden nicht eingerechnet.

Mangelhafte ERP-Usability behindert die Produktivität der Mitarbeiter. Die Bearbeiter brauchen nicht nur länger für ihre Aufgaben, sie sind auch frustriert oder verärgert. Manche schämen sich zuzugeben, dass sie ihre Software nicht verstehen. Weil ihnen ihre vermeintliche Inkompetenz peinlich ist, fangen sie an zu "pfuschen", machen Fehler oder kreieren komplizierte Workarounds. Die Folgekosten solcher Ineffizienz sind erheblich.

Geringer Schulungsaufwand

Benutzerfreundliche Software ist einfach zu erlernen. Das ist ein weiterer Vorteil einer guten ERP-Usability. Was sich von selbst erklärt, muss nicht geschult werden. Die Folge: Es sind weniger sowie kürzere Schulungen notwendig und die Anwender sind schneller in der Lage, produktiv mit der neuen Software zu arbeiten.

Es versteht sich von selbst, dass die ERP-Software dadurch schneller im Unternehmen eingeführt werden kann.

Bedienkomfort als ERP-Auswahlkriterium

Weil die Usability so wichtig ist, sollten Sie schon bei der ERP-Auswahl Ihre Mitarbeiter einbinden. Zuerst erstellen Sie eine Shortlist mit ERP-Lösungen, die für Sie in Frage kommen. Dann schauen Sie sich Testversionen der Programme an – und lassen die Anwender nach Herzenslust damit arbeiten. Geben Sie den Mitarbeitern genügend Zeit für diesen Test und lassen Sie sich das Ergebnis berichten.

Fragebogen zur ERP-Usability

Sie könnten zum Beispiel einen kurzen Fragebogen zur ERP-Usability entwickeln. Darauf können die Mitarbeiter oder Tester folgende Punkte auf einer Skala von eins bis fünf bewerten:

  • Länge der Klickstrecken
  • Größe der Schrift und der Icons
  • Ästhetik (Farbgebung, Gliederung)
  • Erkennbarkeit von Eingabefeldern
  • Übersichtlichkeit der Darstellung
  • Übersichtlichkeit der Funktionalität
  • Benutzerführung (versteht der Anwender sofort, was er zu tun hat?)

Mitarbeiter für den Change verpflichten

Fragen Sie die Anwender auch nach ihrem "Bauchgefühl". Hat der Umgang mit dem ERP-System Spaß gemacht oder nicht? Würden Ihre Mitarbeiter Ihre ERP-Auswahl begrüßen? Mit solchen Fragen stärken Sie von Anfang an das Engagement der Belegschaft für die anstehende Änderung, denn Sie signalisieren damit Wertschätzung und Interesse am Wohlbefinden Ihrer Leute.

Aktuelle Trends in der ERP-Usability

Eine gute Gestaltung von Benutzeroberflächen - auch als UX Design bezeichnet – ist heute eine zentrale Anforderung an Software. Aus dem Consumer-Bereich kennen Sie Apps, die jeder ohne große Erklärungen und auf spielerische Weise intuitiv bedienen kann.

Im Idealfall sollte eine Business Software genauso einfach und intuitiv, aufgeräumt und schlank sein. Doch ein ERP-System ist etwas komplexer als eine Fitness-App und das UX Design folglich sehr viel anspruchsvoller.

Steigende Erwartungen

Eine neue Generation von Anwendern ist mit Smartphones, Tablets und Spielekonsolen aufgewachsen. Diese Generation erwartet, dass auch Business Software einfach zu erlernen und intuitiv zu bedienen ist – und eine ansprechende Optik hat.

Die Haptik muss ebenfalls stimmen. Anwendungen sollten Spaß machen und keine Mühsal bereiten. Gamification ist ein Usability-Trend, der die Benutzererfahrung um spielerische Elemente erweitert.

Zu den Erwartungen gehören aber auch Konventionen, die im Laufe der Jahre entstanden sind. Anwender erwarten eine Menüleiste am oberen oder linken Rand und suchen den "Zurück"-Button instinktiv in der linken, oberen Ecke. Das hat mit der Leserichtung unserer Kultur zu tun – wir schreiben von links nach rechts und blättern von rechts nach links. Und Generationen von Browser- und Office-Anwendungen haben uns gelehrt, wie ein Bildschirm üblicherweise aufgebaut ist.

Neue Anforderungen

Ein ERP-System muss sich optimal an die Prozesse des Unternehmens anpassen. Diese Prozesse sind allerdings nicht statisch, im Gegenteil: Sie werden laufend geändert und optimiert. Kontinuierliche Verbesserung ist bei modernen Unternehmen Teil der Firmenkultur.

Die ERP-Software muss diese Optimierungen nicht nur funktional abbilden. Auch die Benutzeroberfläche sollte so anpassungsfähig und flexibel sein, dass die Mitarbeiter die neuen Prozesse oder Changes ohne Umstände in ihren Workflow integrieren.

Changes lassen sich übrigens in Cloud Software schneller und einfacher umsetzen als in lokal installierten Programmen. Cloud-ERP-Systeme werden laufend verbessert und die Updates automatisch angewendet.

Anwender entwickeln mit

Die besten Experten für anwenderfreundliche Software sind die Anwender selbst. Um anwenderfreundliche Software zu entwickeln, müssen IT-Unternehmen die Nutzer selbst mit ins Boot holen. Abas führt einen intensiven Dialog mit seinen Nutzern, um deren Wünsche und Bedürfnisse kennenzulernen.

Die Benutzeroberflächen und Workflows werden gemeinsam mit den Anwendern entwickelt (Co-Creation). UX (User Experience) kann Arbeitsweisen und Anwendungskontext analysieren. So werden Barrieren gefunden und Anforderungen erhoben. Die UI-Entwicklung wird in einen agilen Software-Entwicklungsprozess integriert.

Visualisierung und Sprachsteuerung

VR-Brillen, Augmented Reality, Windows Holo Lens sowie Gesten- und Sprachsteuerung haben sich im Consumer-Bereich schon etabliert. E-Learning-Software arbeitet seit jeher viel mit Visualisierung. In der schwellenfreien Softwareentwicklung sind Spracherkennung und Sprachsteuerung längst Standard.

In absehbarer Zukunft werden solche Technologien auch die Usability von Business Software verbessern.

Rollen- und kontextbasierte Benutzerführung

Die Benutzerführung ist ein wichtiges Kriterium für die ERP-Auswahl. Eine ERP-Software sollte im Systemstandard verschiedene, vorkonfigurierte Rollen anbieten. Diese Rollen sollten nicht nur die notwendigen Zugriffsrechte umfassen, sondern dem Rolleninhaber auch die auf seine Aufgabe zugeschnittenen Funktionen und Formulare zeigen.

Im Klartext: Eine Buchhalterin braucht keine Vertriebsfunktionen und ein Marketingleiter keine Warenwirtschaft. Jeder Rolleninhaber sollte nur die Funktionen sehen, die er benötigt. Das hat gleich zwei positive Effekte: Der Einzelne wird nicht von der Komplexität des Programms überfrachtet und aufgabenfremde Funktionen werden vor seinem Zugriff geschützt.

Fazit - mehr Effizienz durch ERP-Usability

Anwender arbeiten besser und effizienter mit ansprechenden Programmen. Das beschränkt sich nicht nur auf Farbgebung und optische Darstellung. Auch der Bedienkomfort muss stimmen. Die Benutzeroberfläche sollte schlank und aufgeräumt sein. Die Benutzerführung sollte so gut sein, dass Anwender intuitiv mit dem ERP-System zurechtkommen.

Komfortable Programme werden von der Belegschaft rasch akzeptiert und erlernt. Sie verursachen wenig Schulungsaufwand und lassen sich schnell im Unternehmen einführen. Deshalb sollte die ERP-Usability ganz oben auf Ihrer ERP-Auswahl-Checkliste stehen. Lassen Sie die infrage kommenden Systeme daher von Ihren Mitarbeitern testen, bevor Sie sich entscheiden.

 

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