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Customizing von ERP-Anwendungen: Was ist möglich?

Jedes Unternehmen ist einzigartig und hat im Laufe der Jahre eigene Vorgehensweisen entwickelt, um sich erfolgreich am Markt zu positionieren. ERP-Anwendungen beinhalten heute zwar enorme Funktionsumfänge, dennoch sind sie im Standard nicht in der Lage, jeden individuellen Geschäftsprozess vollumfänglich abzubilden.

An dieser Stelle kommt die Forderung nach spezifischen Anpassungen ins Spiel, ohne hierbei jedoch die Release-Fähigkeit des eingesetzten ERP-Tools zu gefährden. Dieser Artikel zeigt auf, wie Sie mit möglichst geringem Risiko einen sinnvollen Individualisierungsgrad erreichen können.

 

 

Grundsätzliche Möglichkeiten der ERP-Anpassung

Ressourcenplanung-Software kann auf verschiedene Arten an Prozesse angepasst werden. Grundsätzlich müssen hierbei drei Wege unterschieden werden:

  • Customizing: Die ERP-Software verbleibt im Standard, wird jedoch anhand von Parametereinstellungen angepasst.
  • Modifikation: Es erfolgt ein Eingriff in den Code der Standardsoftware.
  • Installation von Add-ons: Es werden zusätzliche Tools genutzt, ohne das ERP-System zu verändern.

Während Modifikationen als teuer und risikobehaftet gelten, ist das Customizing die einfachste und sicherste Methode, individuelle Anpassungen zu realisieren. Jede ERP-Lösung beinhaltet Parameter zur Abbildung spezifischer Gegebenheiten. Komplexität und Umfang können jedoch stark variieren. Während manche ERP-Anwendungen ein schlankes Design aufweisen und nur über wenige Anpassungsoptionen verfügen, bieten andere Lösungen unzählige Einstellungsmöglichkeiten bis ins kleinste Detail.

Äußerst detailreiche Konfigurationsmöglichkeiten mögen zunächst vorteilhaft erscheinen. Nicht selten sind Unternehmen jedoch mit der Komplexität überfordert. Gefährlich sind zudem die zahlreichen Abhängigkeiten der Einstellungen untereinander. Das Aktivieren einer Option kann sich im Zweifelsfall auf mehrere Funktionen auswirken.

Modifikation erweitert Spielraum

Reichen die Möglichkeiten des Customizings nicht aus, können ERP-Anwendungen auch auf Code-Basis angepasst werden. Es erfolgt also eine Anpassungsprogrammierung, um etwa neue Funktionen oder spezifische Schnittstellen zu realisieren. Hierbei lassen sich sämtliche Restriktionen, die beim Customizing bestehen, umgehen. Hinsichtlich der zukünftigen Releasefähigkeit bestehen jedoch teils hohe Risiken.

Neben dem initialen Programmieraufwand muss die Modifikation bei jedem Versionswechsel des ERP-Tools zudem erneut angepasst oder zumindest auf Funktionsfähigkeit getestet werden. Manche Unternehmen verzichten aus diesem Grund über Jahre hinweg gänzlich auf Updates, wodurch das ERP-System selbstverständlich schleichend veraltet oder der Support auszulaufen droht.

Aus all diesen Gründen sollte auf Modifikationen nach Möglichkeit verzichtet werden. Ist dies nicht möglich, sollte die eingesetzte ERP-Lösung zumindest eine „modifikationsfreundliche“ Architektur aufweisen.

Branchenlösungen reduzieren Anpassungsaufwand

Um Modifikationen zu vermeiden und auch den Customizing-Aufwand gering zu halten, sind Branchenlösungen eine mögliche Option. Sie beinhalten den Kern eines Standard-ERP-Systems, wurden jedoch um branchenspezifische Funktionen angereichert. So entstehen beispielsweise ERP-Tools, welche sich für unterschiedliche Ausprägungen im Maschinen- und Anlagenbau, in der Elektroindustrie oder im Automotive-Sektor eignen.

Bei der ERP-Auswahl sollten Sie Branchensoftware daher unbedingt berücksichtigen. Besteht eine hohe Übereinstimmung mit Ihrem Anforderungskatalog, lassen sich Anpassungsaufwände deutlich reduzieren. Ausgereifte Branchenlösungen haben darüber hinaus einen weiteren Vorteil: Sie beinhalten zahlreiche Best-Practices, die möglicherweise als Gedankenanstoß für Prozessoptimierungen im eigenen Hause genutzt werden können.

ERP-Anwendungen müssen nachhaltig ausgelegt sein

ERP-Tools sollten in hohem Maße an die geforderten Prozesse Ihres Unternehmens anpassbar sein. Trotz Branchensoftware ist es in der Praxis unumgänglich, gewisse Anpassungen durch Customizing vorzunehmen. Veränderungen wie Digitalisierung und Industrie 4.0 erhöhen die Änderungsdynamik zusätzlich. Entsprechend muss die gewählte Ressourcenplanung-Software in der Lage sein, sich jederzeit flexibel an neue Geschäftsmodelle und Marktanforderungen anzupassen.


Aus diesen Anforderungen ergibt sich ein neues Auswahlkriterium für ERP-Anwendungen, welches zunehmend an Bedeutung gewinnt: bestmögliche Flexibilität für die ständige Anpassung von Geschäftsprozessen im laufenden Betrieb. Unternehmen können es sich nicht mehr erlauben, lange Zeit auf die Umsetzung von Change-Requests durch die IT-Abteilung oder externe Dienstleister zu warten. Vielmehr müssen Fachverantwortliche ohne spezielles IT-Know-how in der Lage sein, Konfigurationen in Eigenregie durchzuführen. Intuitiv bedienbare Customizing-Werkzeuge und Oberflächen sind wesentliche Voraussetzungen hierfür.

Alte ERP-Tools anpassen oder auf neue Lösung umsteigen?

Veraltete ERP-Anwendungen sind ein enormes Hemmnis für wirtschaftlichen Erfolg. Gerade im Kontext der voranschreitenden Digitalisierung bieten Altsysteme häufig nicht mehr die notwendige Flexibilität. Zahlreiche Unternehmen sind mittlerweile zu dieser Erkenntnis gelangt. Regelmäßig scheiden sich in der Praxis jedoch die Geister daran, ob das bestehende System angepasst werden sollte oder ob die Einführung neuer ERP-Tools sinnvoller ist.

Die Gründe, an bisherigen Lösungen festzuhalten, liegen meist im Personellen oder Finanziellen. Altsysteme werden deshalb am Leben erhalten und um diverse Funktionen, darunter etwa CRM, SRM oder ECM, erweitert. Möglicherweise lässt sich die Lebensdauer mit dieser Strategie etwas verlängern. Nach zehn, 15 oder gar 20 Jahren Einsatzdauer sind ERP-Anwendungen jedoch so veraltet, dass Add-ons sogar kontraproduktiv sein können.

Was spricht für die Anpassung alter ERP-Anwendungen?

Die Abwägung zwischen Modernisierung und Anpassung ist immer auch eine Entscheidung darüber, ob Prozesse verändert werden sollen. Steht das Personal Veränderungen kritisch gegenüber oder sind nicht genügend Ressourcen für die Einarbeitung in neue ERP-Tools vorhanden, ist es bei oberflächlicher Betrachtung naheliegend, das Altsystem an bestehende Prozesse anzupassen. Meist sinnvoller und gleichzeitig kostengünstiger ist es hingegen, bisherige Prozesse zu aktualisieren, um den Workflows einer neuen ERP-Anwendung zu entsprechen. Sinnvoll ist dies natürlich nur dann, wenn es sich um eine Lösung handelt, die Best Practices der Branche berücksichtigt.

Einige Unternehmen halten die hohen Anpassungskosten für eine bestehende ERP-Lösung für gerechtfertigt. Für sie ist kaum vorstellbar, dass neue ERP-Tools ihren individuellen Bedürfnissen besser gerecht werden können. Die Realität sieht jedoch anders aus: Häufig sind die Aufwände für stetige Anpassungen alter Systeme um ein Vielfaches höher als die ursprünglichen Lizenzkosten. Hinzu kommen Effizienzeinschränkungen durch schlechte Performance oder unzeitgemäße Werkzeuge, die ebenfalls monetär bewertet werden sollten.

Hinweise zur Entscheidungsfindung

Auf Anpassungen von Altsystemen zu verzichten und neue ERP-Anwendungen einzuführen, ist kein leichter Schritt. Folgende Tipps können Sie jedoch bei Ihrer Entscheidungsfindung unterstützen

  • Dokumentieren Sie, welche Prozesse keinesfalls geändert werden dürfen und welche möglicherweise anpassbar sind.
  • Sehen Sie sich branchenspezifische Lösungen an, um Best-Practice-Anregungen für eigene Prozessoptimierungen zu erhalten. Empfehlenswert sind Live-Demos.
  • Beurteilen Sie die Flexibilität der bestehenden Lösung. Kann mit dem Altsystem schnell auf veränderte Marktanforderungen oder neue Technologien reagiert werden?
  • Beurteilen Sie die Flexibilität möglicher neuer Lösungen unter den gleichen Gesichtspunkten.
  • Achten Sie auf gute Usability. Optimal sind intuitiv bedienbare ERP-Tools.
  • Kalkulieren Sie die Kosten beider Varianten realistisch. Berücksichtigen Sie nicht nur Startinvestitionen, sondern auch bekannte Langzeitkosten.

Fazit: ERP-Anwendungen müssen anpassbar sein

Fassen wir zusammen, so wird die Anpassbarkeit von ERP-Anwendungen mehr und mehr zum Wettbewerbsfaktor für Unternehmen. Lösungen, die diesem Umstand durch Flexibilität und intuitive Konfigurationsmöglichkeiten Rechnungen tragen, sind in einer zunehmend globalen, vernetzten und digitalisierten Geschäftswelt, in der sich Gegebenheiten mit rasanter Geschwindigkeit ändern, klar vorteilhaft.

 

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