ERP-Auswahl sollte nicht am Preis scheitern – Warum besonders weiche Faktoren wichtig sind

ERP-Auswahl sollte nicht am Preis scheitern - Warum besonders weiche Faktoren wichtig sind

Noch immer stehen bei der ERP-Auswahl für viele Mittelständler die Kosten im Vordergrund. Natürlich sind diese ein wichtiges Entscheidungskriterium. Eine isolierte Betrachtung monetärer Gesichtspunkte versperrt jedoch den Blick auf weitere Faktoren der ERP-Evaluierung - unter anderem der Funktionsumfang, die Usability und die Zukunftssicherheit.

Im Hinblick auf die zunehmend digitale Geschäftswelt, in der sich Rahmenbedingungen rasant ändern, muss zudem die Frage gestellt werden, wie flexibel und schnell sich ERP-Software an neue Prozesse anpassen lässt. Dieser Artikel unterstützt Sie dabei, Ihren Auswahlprozess optimal zu gestalten.

 

 

Nicht nur auf den Preis achten

Nach dem Versand Ihres Lastenhefts und diversen Gesprächen mit Software-Anbietern erreichen Sie im ERP-Auswahlprozess den Punkt, an dem Ihnen die gewünschten Angebote vollständig vorliegen. An dieser Stelle neigen einige Entscheider dazu, schlicht den günstigsten Anbieter auszuwählen. Immerhin kann davon ausgegangen werden, dass sämtliche Anbieter die Forderungen aus dem Lastenheft in vollem Umfang erfüllen. Dieses Vorgehen führt in der Praxis jedoch regelmäßig zu Fehlentscheidungen, die am Ende teuer bezahlt werden müssen.

Nach Möglichkeit Vollkostenbetrachtung durchführen

Kosten von ERP-Systemen setzen sich aus mehreren Blöcken zusammen. Zunächst entstehen selbstverständlich Anschaffungs-, Einführungs- und Wartungskosten. Bedeutsamer sind jedoch die zukünftigen Betriebskosten, welche insbesondere durch Anpassungsaufwände und die damit entstehende Abhängigkeit von externen Beratern beeinflusst werden.

Setzen Sie bei der ERP-Auswahl von vorneherein auf ein System, das sich durch eine flexible Ausgestaltung weitgehend in Eigenregie anpassen lässt, fällt dieser Kostenblock deutlich geringer aus. Ein sinnvolles Kriterium bei der ERP-Evaluierung sind daher die sogenannten Total Cost of Change, kurz TCC. Diese Kennzahl bewertet, wie hoch die Vollkosten inklusive der Aufwände für Systemanpassungen über eine definierte Laufzeit hinweg sind.

 

 


Weitere wichtige ERP-Auswahlkriterien

Mithilfe einer reinen Kostenbetrachtung können Sie die Auswahl an Angeboten bestenfalls einschränken, indem Sie absolute Ausreißer von vorneherein aussortieren. Dies gilt im Übrigen nicht nur für völlig überteuerte Offerten. Auch Ausreißer nach unten sollten kritisch beurteilt werden. Nicht selten handelt es sich um unseriöse Anbieter, welche Sie später mit überzogenen Forderungen bei individuellen Anpassungen oder Serviceverträgen konfrontieren.

Beschäftigen wir uns nun jedoch mit Faktoren, die bei der ERP-Software-Auswahl wesentlich wichtiger sind als der Preis. In der Praxis haben sich die folgenden sechs ERP-Auswahlkriterien bewährt:

  1. Deckungsgrad des Funktionsumfangs mit Ihren Anforderungen
  2. Anpassbarkeit bei zukünftigem Änderungsbedarf
  3. Usability und Anwenderfreundlichkeit
  4. Potenzial des ERP-Anbieters
  5. Referenzen
  6. Sympathie

Diese Faktoren möchten wir im Folgenden näher betrachten.

ERP-Auswahlkriterium 1: Funktionsumfang

Selbstverständlich muss eine ERP-Lösung die Anforderungen aus Ihrem Lastenheft abdecken können. Im Detail kann es hierbei deutliche Unterschiede geben. Mächtige Standard-Software kann häufig sämtliche Bedürfnisse erfüllen, jedoch sind Mittelständler mit den hierfür notwendigen Konfigurationen nicht selten überfordert. Anders formuliert: Ist der Funktionsumfang zu groß, können die Kosten für das Customizing und spätere Änderungen schnell aus dem Ruder laufen.

Kleinere Anbieter liefern meist einen etwas begrenzteren Funktionsumfang, besitzen jedoch oft ein ausgeprägtes Branchen-Know-how. Hieraus sind unter Berücksichtigung von Best Practices spezifische Branchenlösungen entstanden, welche eine Vielzahl von Prozessen bereits in der Standard-Konfiguration abdecken. Meist sprechen kleinere, spezialisierte ERP-Anbieter zudem die Sprache ihrer Kunden deutlich besser, da sie selbst Mittelständler sind und über Mitarbeiter verfügen, die früher ebenfalls in der Branche tätig waren.

ERP-Auswahlkriterium 2: Flexibilität und Anpassbarkeit

Kein ERP-System entspricht im Standard vollständig den individuellen Gegebenheiten Ihres Unternehmens. Betrachten Sie jedoch nicht nur den Aufwand für das initiale Customizing. Im Kontext der Digitalisierung muss Ihr Unternehmen in der Lage sein, schnellstmöglich auf Veränderungen des Marktes zu reagieren. Es gilt etwa, neue Geschäftsmodelle zur Marktreife zu bringen, bevor es die Konkurrenz tut. Ein Unternehmen kann es sich in diesem Spannungsfeld schlicht nicht mehr erlauben, lange Zeit auf erforderliche IT-Changes zu warten. Ein überaus bedeutsames Kriterium bei der ERP-Auswahl ist daher die Flexibilität. Konkret bedeutet dies, dass es auch Fachanwendern ohne spezielles IT-Know-how möglich sein sollte, Anpassungen an Funktionen und Geschäftsprozessen in Eigenregie vorzunehmen. Hierfür sorgen beispielsweise intuitive Customizing-Oberflächen.

ERP-Auswahlkriterium 3: Usability / Anwenderfreundlichkeit

Betrachten Sie die ERP-Auswahl nicht als reinen Kauf einer Software. Das übergeordnete Ziel ist stets die Optimierung von Geschäftsprozessen. Damit dies gelingt, muss die gewählte ERP-Lösung auf Akzeptanz beim Endanwender stoßen. Verständliche Oberflächen, klare Symbolik, Anpassungsmöglichkeiten und nachvollziehbare Workflows tragen entscheidend hierzu bei. Grafisch hochwertig aufbereitete und anpassbare Reports sind ebenfalls nicht zu vernachlässigen.

ERP-Auswahlkriterium 4: Potenzial des ERP-Anbieters

Die Zukunftsfähigkeit des Anbieters ist bei der ERP-Evaluierung ebenfalls von zentraler Bedeutung. ERP-Lösungen befinden sich nicht selten zehn Jahre oder länger im Einsatz. Verschwindet der Software-Hersteller innerhalb dieser Laufzeit vom Markt, stellt dies Mittelständler vor eine ernstzunehmende Problematik.

Zunächst fällt der Support weg. Zudem finden keine Weiterentwicklungen statt. Der einzige Ausweg ist dann eine ungeplante Migration auf ein anderes System. Betrachten Sie daher die Solidität des Anbieters genau. Folgende Faktoren können Sie zur Beurteilung der Zukunftsfähigkeit Ihres potenziellen Partners heranziehen:

  • Gründungsjahr
  • Anzahl der Mitarbeiter
  • Zukunftsfähigkeit der Philosophie, Strategie und Vision
  • Ausrichtung auf zukunftsfähige Branchen
  • zusätzliches Dienstleistungsangebot
  • Bestandskunden

ERP-Auswahlkriterium 5: Referenzen

Ein Höchstmaß an Sicherheit bei der ERP-Auswahl erzielen Sie durch die genaue Betrachtung von Referenzen des Anbieters. Setzen Sie sich daher mit Referenzkunden in Verbindung. Diskutieren Sie ausführlich mit Verantwortlichen und Endanwendern über deren Erfahrungen mit dem System. Schnell werden Sie auf diese Weise Chancen und Risiken besser beurteilen können.

ERP-Auswahlkriterium 6: Sympathie

Zu guter Letzt möchten wir noch die menschliche Komponente betrachten, welche bei der ERP-Software-Auswahl ebenfalls eine Rolle spielt. Bereits in ersten Gesprächen oder im Rahmen von Live-Demos erhalten Sie einen ersten Eindruck davon, ob Ihr potenzieller Partner auf Augenhöhe mit Ihnen agiert und Ihre Bedürfnisse versteht. Darüber hinaus muss auch Ihr Projektteam mit den Mitarbeitern des ERP-Anbieters harmonieren. Ist dies nicht der Fall, entstehen möglicherweise Missverständnisse, Konflikte und Reibungsverluste, die wiederum zu Zeitverzögerungen und ungeplanten Mehrkosten führen. Bestehen Sie deshalb darauf, Ihre späteren Ansprechpartner bereits vor Projektbeginn kennenzulernen.

Fazit: Die ERP-Auswahl hängt von zahlreichen Kriterien ab

In Summe wird deutlich, dass die ERP-Auswahl ein durchaus komplexes Unterfangen ist. Es reicht bei Weitem nicht aus, nur den Preis vorliegender Angebote zu vergleichen. Sie gehen mit Ihrem zukünftigen ERP-Partner vielmehr über Jahre hinweg ein enges Verhältnis ein, weshalb die genannten Soft Facts ebenfalls eingehend betrachtet werden sollten. Einige Faktoren können Sie objektiv vergleichen. Geht es jedoch um die menschlichen Komponenten, so vertrauen Sie am besten auf Ihr Bauchgefühl. In den meisten Fällen liegen Sie damit richtig. Bestehen trotz allem Unsicherheiten, können Sie den Service einer externen ERP-Auswahl-Beratung unterstützend heranziehen.